Es ist gar nicht so lange her, da wurden Texte mit Schreibmaschinen verfaßt. Alle Fäden des ‚Content’ liefen in Wissen, Fertigkeit und Persönlichkeit des Autors zusammen – der Intellekt und die Kunst des Schreibens. Das geschriebene Wort hatte eine fundamentale Bedeutung – ein in Papier und Druckerschwärze manifestierter Raum im unkontrollierbaren Fliessen der Zeit.
Diesen Text gibt es nicht mehr. ‚Text’ ist eine digitale Einheit deren Hermeneutik ganz anders funktioniert: Digitaler Text drückt viel unmittelbarer das Wissen und die Gefühle der Autors aus, er ist näher dran am Geschehen. Klassische Funktionen des zwischenmenschlichen Miteinander wie ‚Neues hören’ und ‚Mitbekommen, was passiert’ werden vertextlicht und digitalisiert. Statusmeldungen, Tweets, Blogs.
Der Hypertext, der räumliche Zerfall eines großen Textes in zahllose, verbundene Snippets, bestimmt nicht mehr nur die Realität digitaler Medien; er hat die Wahrnehmung und das Verstehen der Nutzer verändert: Das, was Lesen ist, genauso wie die Logik des Verstehens verändern sich. Der ‚digital native’ kennt nicht die Gedankenstruktur der Schreibmaschine. Vorbei die Zeit der vaterländischen Bücherregale, die das Wissen der Alten bewahrten und die Persönlichkeit der Besitzers widerspiegelten.
Zu Zeiten der Schreibmaschine waren die Texte länger. Digitale Text müssen vor allem eines sein: Kurz und ohne weiteren Aufwand sofort verständlich. Der kurze Aufmerksamkeitsaugenblick des Lesers muss optimal ausgenutzt werden, dass möglichst alles Wichtige in diesem Moment überfließt. Ein Redakteur, der einen Text für den Gebrauch im Internet schreibt, überlegt sich als erstes die zentralen Keywords, die den Text und seine Aussage beschreiben. Digitaler Text wird nach den Zielen der Aufmerksamkeit und der Auffindbarkeit komponiert.
Es ist schwierig geworden, breiten Nutzergruppen komplexere Inhalte zu übermitteln. Die Aufnahmebereitschaft ist klein und die Aufmerksamkeitsspanne kurz. Der Pamphlet-Text genauso wie der Anleitungstext können das Know-how nicht mehr richtig vermitteln. Es sind Möglichkeiten gefragt, die dem Nutzer einen Inhalt nicht mehr frontal vorsetzen und ihn mit diesem allein lassen. Interaktionen beispielsweise binden den Nutzer ein, verlängern und erhöhen seine Aufmerksamkeit. Die Aussage eines Textes wird in eine Art Spiel übersetzt, welches den Nutzer in eine Kette von Aufnehmen-Verstehen-Handeln einbindet. In mehreren Stufen bewegt man sich in Richtung eines Ziels. Begleitet wird die Bewegung durch graduelle Erfolge und Mißerfolge, die die Logiken von Belohnung und Bestrafung ermöglichen. Anreizsysteme, die den Bann des Nutzers auf sich ziehen und ihn zu einem Spieler machen.
Der digitale Text wird so in einem nächsten Schritt verändert, ‚verspielt’ – Gamification. Der Text wird um die Möglichkeiten des Spiels und das Spiel um die Bedeutung/Tiefe des Textes erweitert.
(dr)
Zwei Beispiele für Gamification:
http://www.bistech.de/flashgame/index.htm
Greenpeace UK: Vwdarkside